Die Schüler des Gymnasiums Michelstadt Tom Gelhorn, Max Ernst und Marco Leipnitz erreichen beim bundesweiten Wettbewerb „Umbruchszeiten“ als eine von 152 teilnehmenden Gruppen (insgesamt etwa 750 Schülerinnen und Schüler) einen der drei ersten Plätze.
Am 20. Juni 2022 fand in Berlin die feierliche Preisverleihung des Wettbewerbes „Umbruchszeiten“, moderiert von Journalist und Youtuber Mirko Drotschmann (MrWissen2go) statt. Die Preise wurden den Schülerinnen und Schülern von Staatsminister Carsten Schneider, Beauftragter der Bundesregierung für Ostdeutschland, überreicht.
Der Wettbewerbsbeitrag „Fürs Leben gelernt? Schulalltag in der DDR kurz vor der Wende“ des Gymnasiums Michelstadt wurde aufgrund der Verbindung von Recherche und Inhalt sowie der vielfältigen medialen Aufbereitung prämiert. Das Schülerteam hatte zur Thematik der Wiedervereinigung Zeitzeugeninterviews durchgeführt und sich mit den Biographien der Zeitzeug*innen, die stark durch die Wende geprägt sind, auseinandergesetzt. Die Ergebnisse der Arbeit stellten die Schüler filmisch, textlich und grafisch äußerst ansprechend auf der Website https://breakingtimes.de/ dar und schufen so insbesondere mit den Interviews der Zeitzeug*innen ein Angebot, das auch längerfristig als Informations- und Unterrichtsmaterial dienen kann. Das Schülerteam wurde bei der Arbeit an dem Projekt von Frau Oberstudienrätin Melanie Koniordos, Leiterin des Fachbereichs II, angeleitet und betreut. Sie ist sehr stolz auf den Erfolg und betont das außerordentliche Engagement der Schüler.
Bei den Zeitzeug*innen, die aus der ehemaligen DDR stammen, handelt es sich um zwei Lehrkräfte des Gymnasiums Michelstadt, Frau Karnstedt und Frau Warias, sowie den Vater eines Schülers des Projektteams, Herrn Leipnitz. In den Zeitzeugeninterviews wurden gezielt Fragen zum Schulsystem der DDR, dem Alltag in der Schule und zu Freizeitaktivitäten gestellt.
Die Zeitzeug*innen geben im Rahmen der Befragungen spannende Auskünfte über ihre Kindheit und Jugend in der DDR und stellen Schulsystem und Alltag aus ihrem persönlichen Erleben dar. So berichtet Frau Warias, wie die Kinder bereits in der Schule auf ihre Zukunft als Arbeiter*innen vorbereitet werden sollten, indem sie an den polytechnischen Schulen mit Unterrichtsfächern wie Produktivem Arbeiten und Technischem Zeichnen mit Themen aus dem Arbeitsleben vertraut gemacht wurden und handwerkliche Fähigkeiten erlernen konnten.
Der Besuch einer Erweiterten Oberschule (EOS), wo auch das Abitur erworben werden konnte, stand nur den Schülerinnen und Schülern offen, die sich gesellschaftlich engagierten und die zusammen mit ihren Eltern der Partei nicht negativ aufgefallen waren. Dies geht ebenfalls aus Frau Warias‘ Bericht hervor, deren Mutter den Berufswunsch, Lehrerin zu werden, nicht weiterverfolgen konnte, weil ihr Großvater im Gefängnis Bautzen, das auch als „Gelbes Elend“ bezeichnet wurde und in dem zahlreiche Oppositionelle inhaftiert waren, eine Haftstrafe verbüßen musste.
Frau Karnstedt erläutert aus ihrer eigenen Erfahrung, dass Schülerinnen und Schüler, die durch gute Leistungen beeindruckten, mit Ämtern wie dem des Gruppenratsvorsitzenden, einem Amt ähnlich dem des Klassensprechers, belohnt werden konnten. Auch das Tragen der Uniform der Jungpioniere animierte Kinder und Jugendliche, sich im Sinne der DDR aktiv in die Gesellschaft einzubringen und erfüllte viele mit Stolz, berichtet Herr Leipnitz.
Die Wende wird von den Zeitzeug*innen als prägendstes Ereignis erlebt, da dies auf die persönliche Biographie gravierende Auswirkungen hatte. Frau Warias merkt jedoch an, dass die Wende bei vielen ihrer jugendlichen Altersgenossen zu einer politischen Radikalisierung geführt habe.
Den Schülern wurde durch Beschäftigung mit der Thematik deutlich, wie ausgeprägt die staatliche Überwachung und Kontrolle auch über die Kinder und Jugendlichen in der DDR war. Außerdem erkannten sie, wie stark die Ideologie das Schulsystem und Unterrichtsinhalte prägte. Als Gegenmodell dazu sehen die Schüler das heutige Schulsystem, das die Individualität des Einzelnen betont und zu kritischem Denken und Hinterfragen motiviert. Positiv wird hingegen die handwerkliche Bildung des DDR-Schulsystems bewertet. Andererseits machen die Schüler deutlich, dass die DDR-Führung willkürlich die schulische Bildung und damit Lebenschancen von oppositionell orientierten Schülerinnen und Schülern steuerte und durch das Spitzelsystem auch vertrauensvolle Gespräche mit Lehrkräften nicht möglich waren.
Studiendirektor Richard Knapp, Schulleiter des Gymnasiums Michelstadt, zeigt sich von der Leistung der Schüler beeindruckt und freut sich über die Zusammenarbeit zwischen dem Schülerteam und den Lehrkräften, die als Zeitzeuginnen Rede und Antwort standen.
Frau Koniordos hofft, dass auch künftig Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Michelstadt Beiträge zum Wettbewerb „Umbruchszeiten“ einreichen werden.